Narben auf Kinderseelen verheilen oft erst nach Jahren
Darauf wiesen Dr. James Barton, der Leiter der Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder, und Ingeborg Neugebauer, Psychotherapeutin in der Beratungsstelle in einem Pressegespräch hin. 80 bis 100 Menschen – Kinder und Jugendliche, Eltern und Lehrer – suchen jährlich bei Psychologin Ingeborg Neugebauer Rat, wenn es um Gewalt oder sexuellen Missbrauch geht. „Überwiegend sind die Hilfesuchenden weiblich“, sagt die Psychotherapeutin. In letzter Zeit stelle sie aber eine steigende Zahl ratsuchender Jungen fest. Ein möglicher Grund für den Anstieg: „Eltern hören mehr auf das, was ihre Söhne von der Schule oder ihren Freizeitaktivitäten erzählen und melden sich früh zu einer Beratung an.“ Zudem berichten die Ratsuchenden vermehrt von Übergriffen im Schulbereich.
Dabei müsse es sich nicht um sexuellen Missbrauch handeln, sondern beispielsweise auch um angedrohte Gewalt oder Mobbing. Einen Wandel erkennt die Beraterin aber im Umgang mit dem Thema Missbrauch:„Die Ratsuchenden bringen ihr Problem viel schneller auf den Tisch und schieben nicht wie früher andere Beschwerden in den Vordergrund.“
Neugebauers Aufgabe besteht darin, Kinder, Jugendliche und Eltern, aber auch Lehrer oder Betreuer zu beraten, Opfer zum Gericht oder zur Polizei zu begleiten und ihnen zur Seite zu stehen. „Das Wohl der Kinder steht dabei an erster Stelle“, betont die Mitarbeiterin der Beratungsstelle. An zweiter Stelle stehe bei ihr „Ruhe bewahren“, um sich den nächsten Schritt zu überlegen.
Die Dauer der Beratung ist sehr unterschiedlich und reicht „von zwei Gesprächen bis zu drei Jahren“. Nur wenige Missbrauchsfälle landen allerdings vor Gericht. Daran habe sich nichts geändert, weiß die Psychologin. In den meisten Fällen bleibe es nicht bei einem Übergriff: „Wenn die Körpergrenzen erst einmal überschritten wurden, dann passiert das wieder.“
Mit den Tätern haben die Berater weniger zu tun: „Wir versuchen eine sichere Umgebung zu schaffen, daher arbeiten wir hier nicht mit Tätern zusammen“, so Dr. Barton.
Die Schweigepflicht, die nur dann gegenüber dem Jugendamt gebrochen werde, wenn „das Kindeswohl gefährdet ist“, sei einer der Gründe, warum viele die Beratungsstelle in Anspruch nehmen. Die Gefährdung von Kindern fange aber schon beim Fernseher im Kinderzimmer an: „Eltern sind sich oft nicht bewusst, dass ihre Kinder nachts Filme mit Gewaltdarstellungen sehen und seelische Narben davontragen“, weiß Neugebauer.