70 wollen ins Ehrenamt
Für Ulla Ellies war das der Moment, als sie den Aufruf des Caritasverbands las, als Ehrenamtliche einem Inhaftierten in der JVA Werl eine verlässliche Gesprächspartnerin zu sein: "Dieser Aufruf hatte mir mitten ins Herz gesprochen." Die Frage von Ehrenamtskoordinatorin Claudia Wetter hatte eine überwältigende Resonanz: Mehr als 70 Männer und Frauen haben sich gemeldet. Statt einer Seminarreihe musste Wetter gemeinsam mit Pastor Adrian Tillmanns, Seelsorger an der JVA, drei mit jeweils 17 Teilnehmern organisieren. "Die anderen stehen auf der Warteliste", bittet die Caritas-Koordinatorin um Verständnis.
Der erste Seminarblock ist nun vorbei. Die Männer und Frauen haben sich informiert, was auf sie zukommt. Dazu gehörte ein Abend mit einer Ehrenamtlichen, die seit Jahrzehnten Inhaftierte als Gesprächspartnerin begleitet. Dazu gehörte ein Abend in der JVA selbst, an dem Ulli Müller, Leiter des Sozialdiensts der JVA Werl, Einblick vor Ort gab und die rechtlichen Bestimmungen erläuterte. Und dazu gehörte der Abend der Entscheidung. "Ich hatte auch Bedenken", gibt Uta Ellies, Heilpraktikerin aus Soest, offen zu. "Gerade als Frau. Aber der Abend mit der Ehrenamtlichen, die seit elf Jahren im Einsatz ist, hat alle Zweifel genommen. Auch der Kontakt mit der Praktikantin, die Pastor Tillmanns begleitet, hat diese Bedenken ausgeräumt." Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern wollte schon lange ein Ehrenamt ausüben und "Menschen, die Hilfe brauchen, meine Zeit zu schenken." Das Mitgefühl hat sich beim Abend in der JVA, als Ulli Müller die Gesprächsräume öffnete, verstärkt. Ellies: "Mir ist bewusst geworden, dass die Inhaftierten keine anderen Ressourcen als die Gewalttat hatten, um sich auszudrücken. Ich bin dankbar, dass ich solche Ressourcen habe. Vielleicht kann ich davon was abgeben, meinen Mut und meine Kraft, im Einzelgespräch oder in der Kontaktgruppe."
Eine Person hat nach den vier Infoabenden erkannt, dass das monatliche Gespräch mit einem Inhaftierten für sie nicht das richtige ist. Die anderen sechzehn bekommen demnächst Post, Post aus der Anstalt. Pastor Tillmanns und Ulli Müller vom Sozialdienst haben die Ehrenamtlichen kennengelernt, sie kennen die Inhaftierten, die um einen Gesprächspartner bitten - die beiden werden also eine Zuordnung vornehmen und den Inhaftierten die entsprechende Adresse aushändigen. Denn nur mit einer Einladung und einem Besuchsschein darf ein Ehrenamtlicher, eine Ehrenamtliche die JVA betreten. Dann gilt es, was Ulli Müller ihnen beim Abend in der JVA eindringlich ans Herz gelegt hat: "Seien Sie offen, klar und ehrlich. Zeigen Sie Respekt, doch bleiben Sie beim Sie." Seine Ratschläge haben Hand und Fuß, wenn er fortfährt: "Samstags ist es bei uns voll, da kommen die Angehörigen", oder "Sprechen Sie ruhig das Thema der Haft an, aber bleiben Sie authentisch. Dafür haben die Männer ein Gespür." Parallel zu den ersten zwei, drei Besuchen folgt der Sicherheitscheck der Ehrenamtlichen. Haben sie ihn ohne Beanstandung durchlaufen, wird ihnen der Betreuerausweis ausgehändigt, mit dem sie unabhängig Besuche vereinbaren können. Allein sind sie nie: Regelmäßig finden Reflexionsabende statt.
Die zweite Seminarreihe der angemeldeten Teilnehmer beginnt nach den Ostern, die dritte folgt im Frühsommer.
Uta Ellies ist eine der Ehrenamtlichen, die sich bei Claudia Wetter, Caritas-Koordinatorin (vorn), und Ulli Müller, Leiter Sozialdienst JVA Werl, das Rüstzeug für den künftigen Einsatz verschafften. Fotos: Caritas