Lippetal. Marvin Kraft ist ein junger Mann, ein kluger Mann. Weil er jung ist, ist die Frage der richtigen Berufswahl wichtig. Und weil er klug ist, nahm er sich nach der 12. Klasse, mit der Fachhochschulreife/schulischer Teil in der Tasche, eine Auszeit und heuerte als BFDler in der Integrativen heilpädagogischen Tagesstätte St. Barbara in Hultrop an. Mit dem Bundesfreiwilligendienst, der für ihn am 31. August 2012 endet, schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Er nutzt die Zeit, um sich über seinen Berufsweg Klarheit zu verschaffen. Und er weiß, dass der BFD-Einsatz als praktischer Teil gewertet wird. Damit hat er die Fachhochschulreife.
Jetzt, sieben Monate nach dem "Dienstantritt" in der Löwengruppe, weiß er auch, dass die Heilerziehungspflege, d. h. die Arbeit mit Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen in einem ambulanten oder stationären Umfeld, sein Ding ist. "2011 habe ich mir überlegt, was ich machen möchte. 2012 weiß ich es", so lautet seine knappe, sachliche Zusammenfassung all der Erfahrungen, die er als BFDler sammeln konnte. Dabei halfen nicht nur die "Profis", dabei half nicht nur Franz Berntzen, Leiter der Integrativen heilpädagogischen Tagesstätte St. Barbara, dabei halfen vor allem die Jungen und Mädchen in der Löwengruppe. Der vierjährige Hadi strahlt übers ganze Gesicht, wenn Marvin das Butterbrot in kleinen Häppchen reicht, er schmollt, dass es erst am Mittwoch zum Schwimmen und Donnerstag zur Reittherapie geht und ist dann wieder sehr zufrieden, dass der Saft so mundgerecht mit dem Strohhalm gereicht wird.
Seit einigen Wochen sind der Vierjährige und der Zwanzigjährige beim Frühstück und beim Mittagessen ein Gespann. Dann wird gewechselt. "Dadurch bindet man sich nicht zu sehr ans Kind", hat der BFDler sehr wohl im Blick, dass er nur ein Mitarbeiter auf Zeit hier in der Tagesstätte ist. Auf seinen Einsatz aber kann Berntzen nicht verzichten: "Es sind wichtige Mitarbeiter für uns, die manche Lücke füllen." Sechs BFDler haben im letzten Sommer ihren Dienst in der Einrichtung aufgenommen. Sie verabschieden sich Sommer 2012 und Berntzen hofft, dass er wieder sechs Freiwillige begrüßen kann, um den Kindern familienähnliche Strukturen zu bieten.
Marvin Kraft drückt die Daumen und macht eifrig Werbung: "Es lohnt sich doch. Die Zeit hier bringt wirklich viel." Und er spricht für die anderen im Bundesfreiwilligendienst, wenn er sagt: "Keiner von uns bereut dieses Jahr." Das sagt ein junger Mann, der sich von Montag bis Freitag mit Kindern beschäftigt, die alle Aufmerksamkeit verlangen. Morgens um 8 Uhr setzt sich der junge Soester in den T5, der erst im letzten Jahr von der Caritas angeschafft wurde, holt seinen BFD-Kollegen ab und fährt die Tour über Beckum, Roland und Ahlen, wo jeweils ein Kind wartet. In Hultrop angekommen, beginnt für Kleine und Große das Tagesprogramm. Marvin Kraft hilft den Kindern beim Frühstück, begleitet sie zu Therapiestunden, wechselt die Windeln ("Damit habe ich kein Problem"), holt mal das Essen von Soester Krankenhaus oder macht Einkäufe. Am Abend bringt er die drei Kinder wieder heim, fährt nach Soest und parkt den Bulli von der Haustür: "Ich fahre gern Auto" - damit ist alles gesagt.
Natürlich wird den BFDlern das Rüstzeug für ihren Einsatz gegeben. Neben den wöchentlichen Gesprächsrunden mit Franz Berntzen sind vier einwöchige Seminare in Hardehausen Pflicht. Da stehen Themen wie Behindertenhilfe, Erste Hilfe, Inklusion, Tod und Sterben und Patiententransport auf dem Stundenplan. Das letzte Seminar steht noch aus, wenn die Frage gestellt wird: "Was will ich, wie geht es mit mir weiter?" Marvin Kraft kann diese Frage jetzt schon beantworten, er hat seine Entscheidung getroffen. Dabei mag auch die gute Gemeinschaft geholfen haben, die er in der integrativen Tagesstätte St. Barbara vorgefunden hat. Neben den sechs Bundesfreiwilligendienstlern sind z. Z. noch vier Praktikanten und zwei Jugendliche im Anerkennungsjahr tätig. Elf junge Leute im Alter zwischen 16 und 20 Jahren - da wird viel gemeinsam unternommen. Selbstverständlich gehörte dazu auch der Einsatz an der Glühweinbude, den der Förderverein der Tagesstätte St. Barbara in Hultrop seit Jahrzehnten auf der Soester Allerheiligenkirmes aufbaut.
Nr. 23 Marvin Kraft kümmert sich derzeit intensiv um den vierjährigen Hadi. Gemeinsam schmeckt das Frühstück noch mal so gut.
Gab es denn gar nichts, worüber sich ein BFDler mal ärgert? Doch, erklärt Marvin Kraft. Dass er weder an der Weihnachtsfeier in der Tagesstätte noch an der Karnevalsfeier teilnehmen konnte. Gerade da hatte er seine Seminare.
Wer sich für ein BFD-Jahr in der Hultroper Tagesstätte interessiert, kann unter Telefon 02527/690 mit Franz Berntzen Kontakt aufnehmen.